P R E S S E I N F O R M A T I O N
ver.di zu den Mobilitätsvorstellungen der Berliner Koalition
Die Rot-Grün-Rote Koalition widmet im Koalitionsvertrag dem Thema „Mobilität“ einen breiten Raum. „Wir begrüßen natürlich, dass es zu den Vorstellungen der Koalition viele Schnittstellen und Gemeinsamkeiten zu den Forderungen von ver.di gibt. Jedoch vermissen wir den roten Faden und fürchten, dass viele der Vorhaben schon aus Geldgründen nicht umsetzbar sind. Außerdem bemängeln wir, dass viele der Koalitions-Pläne zu abgehoben sind. Es fehlt ein Gesamtkonzept“, sagt Andrea Kühnemann, stellvertretende Leiterin des ver.di-Landesbezirks Berlin-Brandenburg.
Auch ver.di macht sich für den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs stark. Taktverdichtungen und bessere Verkehrsanbindung von Randgebieten sind Forderungen, die auch die Gewerkschaft unterstützt. „Aber hier muss klar gesagt werden, dass dazu der BVG die Infrastruktur, die Fahrzeuge und auch das Personal fehlen, um dieses Vorhaben in Angriff zu nehmen. Die BVG war gezwungen, vor einigen Jahren diverse Betriebshöfe zu verkaufen. Diese Flächen fehlen jetzt natürlich“, so Jeremy Arndt, Fachbereichsleiter Verkehr des ver.di-Landesbezirks Berlin-Brandenburg. Nicht nur der ÖPNV-Ausbau, sondern auch notwendige Investitionen in die bestehende Infrastruktur verlangen millionenschwere Aufbauprogramme. Außerdem müssten sofort die Vorarbeiten zur Fahrzeugbeschaffung gestartet werden, damit die angestrebten Verbesserungen in einigen Jahren wirksam werden. Außerdem fehlt vor allem im Fahrdienst Personal. Damit die Takte, wie vorgeschlagen, verdichtet werden können und das
Angebot ausgeweitet wird, sind nach vorsichtigen Schätzungen mindestens 1.000 zusätzliche Fahrerinnen und Fahrer notwendig, die auf dem Arbeitsmarkt angeworben und ausgebildet werden müssen.
Die Erschließung von Randgebieten mit schwacher ÖPNV-Nachfrage mit Kleinbussen und Rufbussen ist eine interessante Idee. Aber aus der Sicht von ver.di ist dies nur unter dem Dach der BVG denkbar, wo auch die entsprechenden Konzessionen liegen müssen. Eine Untervergabe ist unter Umständen möglich. „Aus Sicht von ver.di kann es nur ein Verkehrsunternehmen für Berlin - plus die S Bahn GmbH – geben. Einen Flickenteppich aus verschiedenen Unternehmen lehnen wir strikt ab“, so Jeremy Arndt.
Die Koalition lehnt richtigerweise Ausgründungen mit dem Ziel der Tarifflucht ab. Leider ist die Rückführung der BVG-Tochter „Berlin Transport“ unter das Dach der BVG kein Thema im Koalitionsvertrag. Auch wenn inzwischen der Tarifvertrag angepasst wurde und in beiden Unternehmen gleich bezahlt wird, gibt es nach wie vor schlechtere Bedingungen bei der BT durch unterschiedliche betriebliche Regelungen. Dieses wurde schon vom letzten Senat und dem Abgeordnetenhaus behandelt. Hier erwartet ver.di, dass die Koalition nachsteuert.
Durch die nach wie vor anhaltende Krise gibt es im ÖPNV durch das Wegbleiben der Fahrgäste große finanzielle Lücken. „Wir begrüßen, dass diese coronabedingten Verluste ausgeglichen werden sollen. Das gibt dem ÖPNV und auch dem Flughafen eine gewisse Planungssicherheit, birgt aber auch unkalkulierbare finanzielle Risiken, da niemand weiß, wie lange die Krise noch anhält“, so Jeremy Arndt.
Bei der Planung von Neubaustrecken für Tram und U-Bahn begrüßt ver.di das ausgewogene Vorgehen der Koalitionspartner. Positiv ist ebenfalls, dass das Konzept des Bündnisses Pro Straßenbahn in den Koalitionsvertrag Einzug gefunden hat. Die für die weitere Planung notwendigen Strukturen und Ressourcen mit zusätzlichem Personal sollten aus Sicht von ver.di auch bei der BVG angesiedelt und vom Land bezahlt werden.
Seit Jahren wird in Berlin darüber diskutiert, wie der ÖPNV beschleunigt werden kann. ver.di setzt sich für eine konsequente Vorrangschaltung ein. Leider hat auch die vergangene Legislaturperiode noch nicht die gewünschten Ergebnisse gebracht. Die Durchschnittsgeschwindigkeiten von Bus und Tram liegen bereits jetzt hinter der Planung zurück. Eine Ursache dafür sind auch die „Popup Radwege“. Zunehmende Ausnahmen für Busspuren führen auch zu einer Verlangsamung. „Hier wünschen wir uns ein engagierteres Vorgehen. Die Neuaufstellung der Taskforce Beschleunigung mit Bezirken ist in diesem Zusammenhang sehr zu befürworten. Wer den ÖPNV attraktiver machen will, der muss auch dafür sorgen, dass Busse und Bahnen nicht im Stau stecken bleiben. Daher fordert ver.di, dass wesentlich mehr getan wird, um den ÖPNV zu beschleunigen“, so Jeremy Arndt.
Zur Attraktivität des Nahverkehrs gehört auch, dass Busse und Bahnen für Personal und Fahrgäste sicher sind und gefahrlos benutzt werden können. Leider gibt es dazu nur wenige Aussagen im Koalitionsvertrag. „So soll nach Aussage der Koalitionäre die Anzahl von Bahnhofswachen erhöht werden. Uns ist aber nicht bekannt, dass es so etwas in Berlin überhaupt gibt“, sagt Jeremy Arndt. ver.di fordert u.a. mehr Doppelstreifen von BVG und Polizei, da die Zahl der Übergriffe zum Beispiel auf Bahnhöfen nach wie vor hoch ist. ver.di fordert auch den Ausbau der Videoüberwachung in Fahrzeugen und auf Bahnhöfen und an Haltestellen.
Positiv ist ferner zu bewerten, dass es eine dritte Finanzierungssäule geben soll, um Einnahmen zur ÖPNV-Finanzierung gewinnen zu können. Vor allem ist die Einführung eines Nutznießerbeitrages eine alte Forderung von ver.di. „Schwieriger ist die Ausweitung von Parkzonen und die Erhöhung von Kurzzeitparkgebühren. Wir befürchten, dass das viele Berufstätige treffen wird, die auf das Auto angewiesen sind. Viele Beschäftigte haben, da sie zum Beispiel im Schichtdienst arbeiten, noch keine Alternative zum Auto. Außerdem klammert der Koalitionsvertrag die Pendlerproblematik aus. Nur dann, wenn es einen guten ÖPNV-Tarif für Pendler gibt oder zum Beispiel Parkmöglichkeiten am Stadtrand geschaffen werden, wird auch das Umsteigen auf Bus und Bahn attraktiv“, so Jeremy Arndt.
Gut sei auch, dass sich die Koalition zum Flughafen BER bekennt. „Wir werden allerdings hellhörig, wenn wir lesen, dass die Koalition über eine Veränderung des Geschäftsmodells der Flughafengesellschaft nachzudenken beginnt. Die Finanzprobleme der Gesellschaft dürfen nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden. Die Pandemie und die Klimawende belasten Beschäftigte schon über das Maß hinaus. Die FBB GmbH war bisher ein Garant für gute Arbeitsbedingungen und sichere Jobs“, sagt Jeremy Arndt.